Wie war das damals?
Die Eingemeindung von Bümpliz 1919

Bis ins 19. Jahrhundert blieben die Städte in der Schweiz territorial und bevölkerungsmässig klein. Erst nach 1870 wuchsen sie als Folge der Industrialisierung derart stark an, dass ihr bisheriges Gebiet für den Zustrom der Arbeitsuchenden und für die zu ihrer Aufnahme nötigen Bauten nicht mehr ausreichte. Das Wachstum erfasste daher auch die umliegenden Bauerngemeinden. Diese vermochten aber bald wegen ihrer geringen Steuerkraft dieKosten für den Ausbau der Verkehrsverbindungen, die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, die Entsorgung der Abwässer und des Kehrichts, den Bau neuer Schulhäuser und die vermehrten Fürsorgeaufgaben nicht alleinzu tragen.



In Bümpliz entstand eine Arbeitersiedlung zuerst im Stöckacker, wo die
Burgerholzgemeinde Land verkaufte und den Bau günstiger Wohnungen
ermöglichte. Finanzielle Schwierigkeiten ergaben sich vor allem durch die von Jahr zu Jahr steigenden Schülerzahlen. Während in Oberbottigen die vorhandenen Schulklassen genügten, kamen in Bümpliz-Dorf selber jährlich neue Schüler und Schülerinnen hinzu, so dass von 1882 bis 1909 drei Schulhäuser gebaut werden mussten; ein viertes konnte nicht mehr aus eigener Kraft realisiert werden.

Das damals im Kanton Bern geltende Steuergesetz verschärfte die Situation: Die Gemeindesteuern mussten nicht am Wohnort, sondern am Arbeitsort geleistet werden; somit hatte Bümpliz im Falle der auswärts Arbeitenden die Lasten zu tragen, ohne von den Einkünften zu profitieren. Da die Stimmberechtigten zweimal die Aufnahme eines dringend benötigten Darlehens verweigerten, leitete der Regierungsrat des Kantons Bern 1914 das Verfahren zur Eingemeindung in die Stadt Bern ein.
Eine Eingemeindung gilt als radikalste Massnahme zur Lösung politischer Probleme benachbarter Gemeinden. Doch der Gemeinderat von Bümpliz kam nach Prüfung mehrerer Lösungsvorschläge zur Einsicht, dass »die Vereinigung der ganzen Einwohnergemeinde Bümpliz mit Bern das einzige Mittel« sei, »um eine allgemein befriedigende und für beide Gemeinden gerechte und annehmbare Lösung herbeizuführen.«Die städtischen Behörden dagegen gelangten zu der Überzeugung, dass der Stadt nicht zugemutet werden könne, »nur solche Vorstadtgemeinden mit sich zu vereinigen, die sich finanziell in einer schwierigen Lage befinden. Man wollte gleichzeitig Muri, Ostermundigen, Ittigen und Teile von Köniz eingemeinden.
Der Regierungsrat teilte diese Auffassung, verfügte jedoch die Eingemeindung von Bümpliz im Sinne einer ersten Etappe.

Am 28./29. September 1918 nahmen die Stimmberechtigten der Stadt Bern den Vertrag über die Eingemeindung der Gemeinde Bümpliz in die Stadt Bern mit 7559 Ja gegen 2901 Nein deutlich an; eine Woche später sagten die Bümplizer fast einhellig Ja mit 631: 17 Stimmen. Damit fanden unhaltbar gewordene Zustände nach langwierigen Verhandlungen ihre staatsrechtliche Lösung, und für beide Seiten begann eine neue Ära:
Die Einwohnergemeinde Bümpliz wurde zum Vorstadtquartier -»Bern-Bümpliz« hiess es damals in der Botschaft des Stadtrates -und allmählich zum heutigen Stadtteil VI; die Stadt Bern vergrösserte ihre West-ost-Ausdehnung auf mehr als das Doppelte und gewann Siedlungs-, Landwirtschafts-, Natur- und Erholungsgebiet.

Es blieb bei dieser ersten Etappe der Eingemeindung. Nach heutigem Steuerrecht ist die Motivation für weitere Eingemeindungen bei den Agglomerationsgemeinden auch erheblich geringer geworden. Heute stellt sich vielmehr die Frage, wie sich die Agglomerationsgemeinden an den Zentrumslasten der Gemeinde Bern angemessen beteiligen
sollen.

Quellen: Peter Leuenberger, Emil Erne

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